Produktiv, motiviert – aber auch erschöpft
Studie der Universität Konstanz zeigt: Mehrheit der Beschäftigten will auch nach Corona im Homeoffice arbeiten, ein „Recht auf Homeoffice“ ist aber umstritten.
Die meisten Beschäftigten arbeiten nach eigener Aussage im Homeoffice länger und produktiver als im Büro, einige leiden aber auch unter Vereinsamung und Isolation. Trotzdem wünscht sich ein Großteil (56 Prozent) keine Rückkehr zur Vollzeit-Präsenzpflicht, die Mehrheit der Befragten möchte am liebsten zwei bis drei Tage (Mittelwert aller Befragten: 2,88 Tage) pro Woche von zu Hause aus arbeiten. Bei der Frage nach einem gesetzlichen Recht auf Homeoffice ist die arbeitende Bevölkerung gespalten. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz, die in Zusammenarbeit mit dem Think-Tank „Das Progressive Zentrum“ herausgegeben wird.
Effektiver als im Büro?
Eine mögliche Ursache für die große Befürwortung der Arbeit von Zuhause sieht das Autorenteam der Studie – bestehend aus Prof. Dr. Florian Kunze, Kilian Hampel und Sophia Zimmermann – darin, dass sich die allermeisten der Befragten im Homeoffice als motiviert und produktiv wahrnehmen. 45 Prozent gaben sogar an, effektiver als im Büro arbeiten zu können. Ein weiterer Grund für die positive Bewertung des Homeoffice könnte die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben sein. 70 Prozent der Befragten bejahten die Aussage, dass dies im Homeoffice besser möglich sei – unabhängig davon, ob sie minderjährige Kinder zu betreuen haben oder nicht.
Eine große Minderheit berichtet jedoch auch von schwerwiegenden Nachteilen: Ein Fünftel fühlt sich im Homeoffice einsam und sozial isoliert, fast jeder und jede Sechste klagt über emotionale Erschöpfung. Demgegenüber steht die Gruppe der gänzlich Überzeugten: Ein Viertel der Befragten würde künftig ganz auf den Bürobesuch verzichten.
Nachholbedarf im Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Das Autorenteam sieht noch Nachholbedarf für den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Betriebsräte sollten sich für klare Homeoffice-Regeln einsetzen. Mit den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie muss für die Beschäftigten nun ein gesundes Maß zwischen einer motivierenden Arbeitsumgebung und Arbeitsbelastungen gefunden werden“, schlussfolgert der Studienleiter Prof. Dr. Florian Kunze. Dies sei auch im Interesse der Betriebe. „Die Beschäftigten fühlen sich zwar produktiver und schätzen die gesteigerte Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben. Diese positiven Effekte werden sich aber vermutlich langfristig nur dann halten können, wenn die Betriebe sozialen Austausch sicherstellen und eine Belastung ihrer Angestellten durch das mobile Arbeiten vermeiden.“
Ein Recht auf Homeoffice?
Bei der Frage nach einem „Recht auf Homeoffice“ liefert die Studie ein geteiltes Bild: Genau die Hälfte der Befragten würden ein solches Gesetzesvorhaben unterstützen. Das Autorenteam stellt fest, dass viele Arbeitgeber auch ohne rechtlichen Anspruch in der Lage waren, Homeoffice für ihre Beschäftigten zu ermöglichen – allerdings nur in Büro- und Wissenstätigkeiten. „Systemrelevante“ Berufe, beispielsweise in Pflege, Handel und produzierendem Gewerbe, dürften von einem Recht auf Homeoffice dagegen nicht profitieren.
Deutschlandweites Umfragenprogramm
Für die Studie wurden 699 Personen befragt, die im Befragungszeitraum im Homeoffice arbeiteten. Die Befragungen wurden zu neun verschiedenen Zeitpunkten während der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen von März bis Mai 2020 durchgeführt. Die Population der Befragten entspricht in Bezug auf Alter und Geschlecht dem Durchschnitt der deutschen Erwerbsbevölkerung. Die Befragung ist Teil eines deutschlandweiten Umfrageprogramms des Konstanzer Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“, auf dessen Basis mehrere Papiere mit Politikempfehlungen in Zusammenarbeit mit dem Think-Tank „Das Progressive Zentrum“ herausgegeben werden.
Weitere Informationen über das Umfragenprogramm, zur Methodik und Datengrundlage unter: https://ungleichheit.uni.kn/forschung/covid-19-und-soziale-ungleichheit-umfrage-programm.
Faktenübersicht:
- Großangelegtes Umfragen-Programm des Konstanzer Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ zum Zusammenhang zwischen Corona-Krise und Ungleichheit:
http://ungleichheit.uni.kn/forschung/covid-19-und-soziale-ungleichheit-umfrage-programm/ - Aktuelle Publikation: Florian Kunze, Kilian Hampel, Sophia Zimmermann: Homeoffice in der Corona-Krise – eine nachhaltige Transformation der Arbeitswelt?. Policy Papers: COVID-19 und soziale Ungleichheit – Thesen und Befunde 02. 16. Juli 2020.
Download: http://www.progressives-zentrum.org/homeoffice-corona/.
Herausgeber der „Policy Paper“-Reihe: Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz in Kooperation mit „Das Progressive Zentrum“, Berlin - „Das Progressive Zentrum“ ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Think-Tank mit dem Ziel, die Vernetzung progressiver Akteurinnen und Akteure zu befördern und Politik für ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschritt mehrheitsfähig zu machen. Sitz in Berlin, Aktivitäten in vielen Ländern Europas (u. a. Frankreich, Polen, Großbritannien) sowie in den USA.
- Prof. Dr. Florian Kunze ist Professor für Organizational Studies an der Universität Konstanz und Mitglied des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Er forscht zu Generationenmanagement, erfolgreicher Führung, Digitalisierung in der Arbeitswelt und Arbeiten im Homeoffice.
- Kilian Hampel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe für Organizational Studies von Florian Kunze. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die digitale Transformation der Arbeitswelt, Management des demographischen Wandels, Alter(n) am Arbeitsplatz sowie die Einführung von neuen Arbeitsformen.
- Sophia Zimmermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe für Organizational Studies von Florian Kunze. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Mitarbeiterführung, der Digitalisierung in der Arbeitswelt und des demographischen Wandels.