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Bild: Pixabay

Framing von Ungleichheiten

Projektbeschreibung

Ziele und zentrale Forschungsfragen
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass das Framing von Informationen von entscheidender Bedeutung dafür ist, wie Menschen Wissen in ihr bestehendes Glaubenssystem integrieren. Ein wichtiger Bestandteil des Framings ist die Sprache: wie etwas gesagt wird. Der Fokus unseres Projekts liegt darauf, diejenigen Teile der Sprache zu bestimmen, zu verstehen und zu modellieren, die Framing-Effekte auslösen können (linguistische „Cues“). Ausgangspunkt sind dabei die Überlegungen zum Framing, wie sie ursprünglich vom Psychologen James Druckman im Kontext der Politikwissenschaft formuliert wurden. Druckman unterscheidet zwischen „Frames in Thought“, die im Wesentlichen das Glaubenssystem eines Individuums repräsentieren, und „Frames in Communication“. Bei letzteren handelt es sich um Informationen, die einem Individuum mitgeteilt werden und die dieses Individuum dann in seine bestehenden gedanklichen Frames integrieren muss.

Wir kombinieren diese Perspektive mit einem neuen Modell von Glaubenssystemen und Kommunikation zwischen Individuen unter Anwendung des linguistischen Konzepts des Common Ground. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer neuen Rich Theory of Framing (RichFrame), ihre Überprüfung anhand einer Reihe von Experimenten zur Framing-Wahrnehmung, und schließlich ihre Operationalisierung  in einer Art und Weise, die es ermöglicht, die folgenden Punkte rechnerisch zu modellieren:

  • Glaubenssysteme von Individuen in Bezug auf bestimmte Themen (z.B. Geschlecht, Asylsuchende)
  • wie neue Informationen in das Glaubenssystem eines Individuums integriert werden
  • wie das Framing der Information diese Integration beeinflusst

Hintergrund
Unser Anwendungsfeld ist das Framing von tatsächlichen oder wahrgenommenen Ungleichheiten in der Politik. Dass Ungleichheitswahrnehmung und -bewertung von dem spezifischen Glaubenssystem abhängen, das innerhalb eines Individuums aktiv ist (etwa konservativ vs. liberal), ist in der Forschung gut belegt. Trotz aller vorhandenen Erkenntnisse wissen wir jedoch noch nicht genug über den strategischen Einsatz von Framing in Politik und Medien sowie darüber, welche spezifischen linguistischen „Cues“ welche Effekte hervorrufen.

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu einem sich herausbildenden Forschungsgebiet, das politische Kommunikation mithilfe von linguistischen und computerlinguistischen Methoden untersucht und diese auf innovative Weise auf die Analyse sozialer Ungleichheiten anwendet.

Methoden
Das Projekt bündelt Expertise aus formaler Pragmatik, Computerlinguistik und Politikwissenschaft und schließt dabei an frühere Erkenntnisse und Berechnungsmethoden an, von denen Teile der breiteren Community bereits online zur Verfügung stehen (LINK: lingvis.io). Unser RichFrame-Modell basiert auf der Analyse politischer Diskurse, bei denen das Framing von tatsächlichen oder wahrgenommenen Ungleichheiten eine Rolle spielt.

Unsere Daten stammen aus verschiedenen Quellen, darunter Medientexte, soziale Medien und politische Reden. Damit wird eine Verteilung über unterschiedliche Genres gewährleistet,  um zu robusten und ausgewogenen Vergleichspunkten zu kommen. Unser Projekt beinhaltet somit Korpuserstellung und -annotation. Wir testen das Modell mithilfe von sorgfältig kontrollierten Befragungsexperimenten und rechnergestützter Modellierung.

Beteiligte Fachrichtungen

Allgemeine Linguistik, Computerlinguistik, Politikwissenschaft

Aktiv seit

1. Oktober 2019

Work Packages

Momentan bearbeiten wir in unserem Projekt die folgenden Work Packages (WPs):

1. Automatisierte Identifikation von Issue Frames

In diesem WP konzentrieren wir uns auf Zeitungsartikel und Posts in den Sozialen Medien Posts während der sogenannten "Europäischen Flüchtlingskrise" zwischen 2014-2018. Mit Hilfe von Natural Language Processing (NLP) / Computerlinguistischen Ansätzen versuchen wir automatisiert die bedeutendsten Frames, die von verschiedenen Medienquellen verwendet werden, zu ermitteln.

2. Komposita-Wortneuschöpfungen als linguistische Signale für Framing

Wir beobachten, dass Zeitungsartikel und Posts in den Sozialen Medien Komposita-Wortneuschöpfungen verwenden um implizit tendenziöse Haltungen zu vermitteln. Zum Beispiel wird Deutschland als "Merkel-Land" bezeichnet, oder eine kopftuchtragende Praktikantin als "Kopftuch-Praktikantin". In diesem WP führen wir Experimente und pragmatische Analysen durch, um quantitativ zu untersuchen, wie die Verwendung solcher Komposita-Wortneuschöpfungen die Wahrnehmungen der Lesenden über die Stimmungen eines gegebenen Textes beeinflussen.

3. Frames über die Verdienstlichkeit von Flüchtlingen

Welche Geflüchteten verdienen welche Art der Unterstützung ihres aufnehmenden Landes – oder verdienen sie nicht? In diesem WP werden Frames über die Verdienstlichkeit von "Flüchtlingen" während der "Europäischen Flüchtlingskrise" zwischen 2014-2018 in Posts in den Sozialen Medien von einer Gruppe relevanter Politikerinnen und Politiker in Deutschland untersucht. Dabei werden sowohl computergestützte, als auch manuelle Methoden der Textanalyse verwendet.

Project Partners

Chris Reed (University of Dundee)

Chris Reed is a Senior Fellow at the Cluster of Excellence "The Politics of Inequality" at the University of Konstanz. Find more information on Chris Reed here.

Biljana Scott (DiploFoundation)

Biljana Scott teaches issues of framing to diplomats at the DiploFoundation. Her current research is on implicit communication and the ‘unsaid’ in political and diplomatic discourse. She will advise on the annotation scheme and help design stimuli testing framing effects with respect to issues of inequality. Find more information about Biljana Scott here

Literatur

Publikationen

Fliethmann, Anselm, Seibel, Verena, and Daniel Degen. 2024. Deservingness Perceptions Towards Refugees: A Gender Perspective. Journal of Immigrant and Refugee Studies. [LINK]

Yu, Qi, Fabian Schlotterbeck, Hening Wang, Naomi Reichmann, Britta Stolterfoht, Regine Eckardt and Miriam Butt. 2024. Ad Hoc Compounds for Stance Detection. Proceedings of the Joint Workshop on Multiword Expressions and Universal Dependencies (MWE-UD 2024). [PDF]

Yu, Qi. 2023. Towards a More In-Depth Detection of Political Framing. Proceedings of the 6th Joint SIGHUM Workshop on Computational Linguistics for Cultural Heritage, Social Sciences, Humanities and Literature. [PDF]

Yu, Qi. 2022. "Again, Dozens of Refugees Drowned": A Computational Study of Political Framing Evoked by Presuppositions. Proceedings of the 2022 Conference of the North American Chapter of the Association for Computational Linguistics (NAACL): Student Research Workshop. [PDF]

Yu, Qi, and Anselm Fliethmann. 2022. Frame Detection in German Political Discourses: How Far Can We Go without Large-Scale Manual Corpus Annotation? Journal for Language Technology and Computational Linguistics 35 (2): 15–31. [LINK]

Yu, Qi, and Anselm Fliethmann. 2021. Frame detection in German political discourses: How far can we go without large-scale manual corpus annotation? In Proceedings of 1st Workshop on Computational Linguistics for Political Text Analysis, pages 13–24. [PDF]  

Yu, Qi, and Anselm Fliethmann. 2021. Dataset: The Refugee and Migration Framing Schema (RMFS) and Refugee and Migration Framing Vocabulary (RMFV). [LINK]